Bundesenergieministerin Katharina Reiche sagte kürzlich bei einem Auftritt, der Satz „Wind und Sonne schicken keine Rechnung“ sei simpel und dumm und wer ihn verwende, habe keine Ahnung von Energie. Der Netzausbau passiere für die Erneuerbaren auf Wunsch der Energiekonzerne, die Ausbauziele für erneuerbare Energien seien viel zu hoch und der Ausbau der Kraftwerke müsse sich in Zukunft am vorhandenen Netz orientieren.
Diese Aussagen sind schockierend und es ist kaum zu glauben, dass sie von einer amtierenden Bundesministerin stammen, die mit dem Aufgabengebiet Energie und Wirtschaft betraut ist. Sie zeugen von Unkenntnis über grundlegende ökonomische Zusammenhänge gepaart mit Arroganz gegenüber Experten, die der Ministerin mit Fachwissen zur Seite stehen würden, wenn Lernwille bestünde.
Zunächst erstmal, ja Wind und Sonne schicken keine Rechnung. Windkraft und PV-Anlagen erzeugen Strom aus der Energie, die atmosphärische Winde und Sonnenstrahlen täglich kostenlos bereitstellen. Energiekonzerne, die Öl und Gas aus der Erde befördern und weltweit als Energieträger verteilen, schicken sehr wohl eine Rechnung. Und die hat es in sich. Deutschland importiert jährlich fossile Brennstoffe im Wert von durchschnittlich 81 Milliarden Euro, um sie zu verbrennen. Dabei geht ein großer Teil der Energie als Abwärme verloren. Eine sehr teure und ineffiziente Form der Energiegewinnung im Vergleich zu Strom aus erneuerbaren Energiequellen.
In der Wissenschaft werden die Kosten, die zur Energiegewinnung anfallen, in den Stromgestehungskosten dargestellt und verglichen. Dabei werden die Kosten für den Bau, Betrieb und Rückbau von Kraftwerken und für verbrauchte Brennstoffe auf die durchschnittliche Lebensdauer eines Kraftwerkstyps und auf die damit gewonnene Energiemenge verteilt. Dabei zeigt sich, dass Windkraft und PV, sogar PV mit Batteriespeicher, die Energiequellen mit den niedrigsten Stromgestehungskosten sind, deutlich niedriger als fossile Energiequellen und Kernenergie.

Mit dem zweiten Punkte zielt Frau Reiche auf die Systemkosten in Form der Kosten für den Netzausbau ab und impliziert dabei, dass der Netzausbau nur für die erneuerbaren Energiequellen erfolgen würde. Das ist jedoch eine irreführende Darstellung. Die größten Systemkosten verursachen Kohle und Gasenergie, wenn man die Kosten für die Klimafolgeschäden und direkte Gesundheitskosten einrechnet. Aus diesem Grund hat Deutschland gemeinsam mit den meisten anderen Industrieländern der Welt den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen beschlossen. Zweitens muss auch der Strom aus konventionellen Kraftwerken zum Verbraucher gelangen. Teile der Kosten für den Netzausbau fallen für konventionelle Kraftwerke an. Ein weiterer Teil ergibt sich aus der Elektrifizierung der Sektoren Verkehr und Wärme. Wenn Autos und Heizungen zunehmend mit Strom betrieben werden, erfordert dies auch mehr Leitungen, um den Strom zu verteilen, egal aus welcher Quelle er kommt.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energiequellen wurde im Einklang mit Expertenempfehlungen hochgefahren, bevor Netze und Speicher im zukünftig benötigten Maß vorhanden waren, weil der meiste Strom direkt ins Netz eingespeist und abgenommen wird. Ungefähr 97 % des Stroms aus Windkraft- und PV-Anlagen wird ins Netz eingespeist und abgenommen. Ab einem Anteil von ungefähr 80 % der Erneuerbaren am Stromverbrauch werden Speicher in größeren Mengen erforderlich sein.
Aktuell sehen wir bereits eine große Zunahme an Batteriespeicherprojekten, nachdem die Kosten in diesem Bereich stark gesunken sind. Die Anmeldungen für Batteriespeicher bei der Bundesnetzagentur sind auf einem Rekordstand. Zahlreiche Großspeicher befinden sich in Planung und sind z.T. bereits im Bau. Bis 2026 wird mit einer Verfünffachung der Speicherleistung in Deutschland gerechnet. All diese Kraftwerks- und Speicherprojekte stoßen an vielen Stellen auf unzureichende Netzkapazitäten. Aber das liegt nicht daran, dass die Ziele zu hoch gesetzt wurden, sondern an trägen Genehmigungsverfahren und begrenzten Finanzmitteln. Auch daran arbeiten die Landesregierungen gemeinsam mit der Bundesregierung bereits und setzen zahlreiche Maßnahmen um zur Beschleunigung der Verfahren.
Die Kosten für eine moderne Energieinfrastruktur muss jemand bezahlen. Aktuell werden diese Kosten in Form von Netzentgelten auf den Strompreis umgelegt und somit von den Verbrauchen bezahlt. Wenn das Netz ausgebaut ist und die Anfangsinvestitionen in das neue Energiesystem getätigt sind, werden diese Kosten und auch der Börsenstrompreis wieder sinken. Zur Erinnerung: 81 Milliarden Euro für fossile Brennstoffe würden andernfalls weiterhin jährlich anfallen. Das sind Konsumkosten und keine Investitionen wie der Netzausbau. Das ist so als würde man lieber jeden Tag für 50 Euro Essen gehen, anstatt für 2.000 Euro eine neue Küche anzuschaffen. Am Ende des Jahres hättest du so viel Geld für Restaurants ausgegeben, dass du dafür 9 Küchen hättest kaufen können.
Es gibt auch andere Möglichkeiten, die Kosten für den Netzausbau zu verteilen. In Frankreich wird der Strompreis staatlich subventioniert, sodass die Steuerzahler einen Teil der Kosten tragen. Man könnte auch nach dem Verursacherprinzip Unternehmen mit einem hohen CO2-Fußabdruck, die auf Kosten der Umwelt hohe Gewinne machen, durch Steuern oder Abgaben stärker in die Pflicht nehmen für den Umbau des Energiesystems. Leider kamen von Frau Reiche bisher keine anderen Ideen und Vorschläge als die Ausbauziele zu senken.
Die Forderung, der Ausbau der Erneuerbaren Energien müsse sich am Netzausbau ausrichten, und nicht umgekehrt, sollte nicht dazu führen, die Ambitionen der Regierung beim Ausbau der erneuerbaren Energien runterzufahren. Stattdessen sollte die Regierung gemäß ihres Auftrags den Netzausbau voran treiben und besser mit dem Ausbau der Kraftwerke synchronisieren.
Die Aufgabe einer Ministerin ist es, Politik zu gestalten und Lösungen zu finden. Frau Reiche tritt hier jedoch ambitionslos auf, scheint grundlegende Zusammenhänge der Energiewende nicht zu verstehen, und verpasst die Chance, eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Ihr Chef, Bundeskanzler Merz, forderte zu Beginn der neuen Bundesregierung mehr Leistungsbereitschaft und Einsatz von der deutschen Gesellschaft. Leisten Sie Frau Reiche. Machen Sie Ihre Hausaufgaben und legen Sie einen zu Ende gedachten, nachhaltig tragbaren Plan vor für den Übergang in das Energiesystem der Zukunft.
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