Hier findest du einige häufig verbreitete Irrtümer zur Energiewirtschaft und Fakten, die sie richtigstellen.
„Die deutschen Kernkraftwerke können leicht reaktiviert werden“
Auf Anfrage des Tagesspiegels 2019 teilten die Betreiberunternehmen der verbliebenen drei deutschen Kernkraftwerke mit, dass sie nicht mehr für einen Weiterbetrieb der Kraftwerke zur Verfügung stehen. Ein Auszug aus dem Bericht über die Anfrage:
“EnBW, die noch je einen Reaktor in Philippsburg und Neckarwestheim betreibt, antwortete auf die Frage, ob es eine Laufzeitverlängerung mit Wohlwollen betrachten würde, der Konzern habe ‘eine klare Haltung’. Der Ausstieg aus der Kernenergie sei im Jahr 2011 im politischen und gesellschaftlichen Konsens beschlossen worden und gesetzlich klar geregelt. ‘Die Nutzung der Kernenergie für die Stromproduktion hat sich damit in Deutschland erledigt.’
EnBW, so eine Sprecherin weiter, habe damals eine langfristige Strategie für den Rückbau ausgearbeitet, die seither umgesetzt werde. ‘So stecken wir heute mitten im Rückbau von drei unserer fünf Anlagen. Und für die beiden Anlagen, die noch Strom produzieren, haben wir planerisch und genehmigungsrechtlich die Weichen für einen zügigen Rückbau direkt nach ihrer Abschaltung gestellt.’
Für RWE ist eine Laufzeitverlängerung ebenfalls ‘kein Thema’. Eine Sprecherin sagte weiter: ‘Diese Diskussion führen wir bei uns im Unternehmen gar nicht mehr. Das Kapitel ist abgeschlossen.’ Ein Eon-Sprecher teilte auf Anfrage mit: ‘Es gibt in Deutschland einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens zum Ausstieg aus der Kernenergie, an dem wir nicht rütteln sollten. Wir sollten uns nun im Sinne des Klimaschutzes darauf konzentrieren, die Energiewende konsequent und in allen Bereichen erfolgreich umzusetzen.’”
Auch im Jahr der Energiekrise 2022 äußerten sich die Vertreter der Energiekonzerne, die die verbliebenen Kernkraftwerke betreiben, erneut ablehnend über eine mögliche Laufzeitverlängerung über den vereinbarten Streckbetrieb bis April 2023 hinaus. So wird EnBW-Chef Jörg Michels mit den Worten zitiert, eine Laufzeitverlängerung sei “illusorisch” und “Das funktioniert so nicht.” RWE-Chef Markus Krebber sagte im Interview: “Das politische Kapital und die Energie, die wir auf relativ wenig Erzeugungskapazität verschwenden, sollten wir lieber in den Ausbau der Erneuerbaren oder in den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft stecken. Daran hängt die Zukunft dieses Landes, nicht an der Frage, ob vier Gigawatt Kernenergie ein oder zwei Jahre länger laufen.”
EnBW-Vorstandsmitglied Georg Stamatelopoulos wird mit den Worten zitiert: „Es gibt diese Industrie in Deutschland einfach nicht mehr, die haben wir über zehn Jahre zurückgebaut. Ein Atomkraftwerk ist keine Märklin-Eisenbahn, die man an- und ausschaltet und die dann immer funktioniert. Die Kernenergie ist für Deutschland einfach keine Option mehr.“
Der Vorstandsvorsitzende von RWE, Markus Krebber, sagte im November 24 nochmals dazu:
„Wir sind hierzulande über den Punkt hinaus, an dem wir abgeschaltete Atomkraftwerke wieder zurück ans Netz bringen sollten.
[…]
wenn man sich die Hürden und vor allem die Kosten dahinter anguckt, halte ich das doch für sehr unrealistisch.“
Es fehlten Genehmigungen, Fachkräfte und vor allem finanzielle Sicherheiten. So bräuchte es einen langfristigen Stromabnahmevertrag mit festen Preisen, da sich die Atomkraftwerke angesichts von immer mehr Wind- und Solaranlagen nicht mehr rechnen würden.
„Wir sind vom Gesetz gezwungen, die Atomkraftwerke rückzubauen, und reißen jeden Tag ein Stück mehr ab“
Das wieder rückgängig zu machen dauere drei bis vier Jahre. Dann wäre schon wieder die nächste Bundesregierung dran. „Auch hier bräuchte es vor allem rechtliche Sicherheiten, damit die nächste Regierung das nicht direkt wieder stoppt oder mit Klagen überzieht.“
Im Dezember 24 sagte EnBW-Kernkraftchef Jörg Michels:
„Der Rückbau-Status unserer fünf Kernkraftwerke ist praktisch gesehen irreversibel. […]Eine Diskussion über die weitere Nutzung der Kernkraft hat sich für uns vor diesem Hintergrund erledigt. […] Wir glauben nicht, dass der Neubau von Kernkraftwerken in Deutschland eine Lösung der Fragen zu heutigen Problemstellungen der Energieversorgung wäre.“
„Der Weltklimarat IPCC befürwortet Kernenergie“
Der Weltklimarat betrachtet verschiedene Szenarien für die Erreichung der weltweiten Klimaziele und würdigt, dass Kernenergie dabei wahrscheinlich noch einige Zeit eine Rolle spielen wird. Eine normative Befürwortung von Investitionen in Kernenergie ist daraus nicht abzuleiten.
Im aktuellen Summary for Policy Makers identifizier der IPCC Wind und PV als die Technologien mit dem größten Mitigationspotenzial und das zu den geringsten Kosten. Kernenergie liegt in der Kosten-Nutzen-Analyse des IPCC auf dem vorletzten Platz nach CCS.

„Die Energiepreise werden immer teurer“
Die Energiepreise sind mit Ausbruch des Ukraine-Kriegs sprunghaft angestiegen, doch inzwischen für Neuverträge wieder auf Vorkrisenniveau gefallen.

„Die Umstellung auf 100 % erneuerbare Energien ist unrealistisch/nicht machbar“
Deutschland hat sich im Klimaschutzgesetz das Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu sein. Dafür ist das Ziel der Umstellung der Stromversorgung auf 100 % erneuerbare Energien bis 2045 und das Zwischenziel von 80 % bis 2030 festgelegt worden.
Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung in Deutschland nimmt von Jahr zu Jahr exponentiell zu.

Die Energiewende wird wissenschaftlich begleitet durch den Expertenrat für Klimafragen und die Expertenkommission für das Monitoring der Energiewende. Darin sind Vertreter der führenden energiewirtschaftlichen Forschungsinstitute in Deutschland vertreten. Laut deren Urteil sind die Ziele erreichbar, wenn auch mit bedeutenden Herausforderungen verbunden.
Die grundsätzliche Machbarkeit der Energiewende wurde in fünf großen Leitstudien analysiert, darunter eine des Bundesverbands der Deutschen Industrie und eine der Deutschen Energieagentur.

Die Machbarkeit der Energiewende steht daher auf einem soliden wissenschaftlichen/fachlichen Fundament. Es ist nicht die Frage, ob sie umsetzbar ist, sondern, ob wir es rechtzeitig schaffen.
„Durch den Atomausstieg steigen die Treibhausgasemissionen in Deutschland“
Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sinken stetig, trotz des Atomausstiegs.

Die erneuerbaren Energien kompensieren den Wegfall von fossilen Kraftwerken und Kernkraftwerken.

„Ohne den Atomausstieg wären die Treibhausgasemissionen schneller gesunken“
Das ist richtig. Allerdings wären sie das auch, wenn die erneuerbaren Energien gleich konsequent ausgebaut worden wären. Das war auch die Empfehlung der Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien mit dem Abschalten konventioneller Kraftwerke Schritt halten sollte. Doch erst seit der Ampelregierung wurden effektive Maßnahmen ergriffen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen.


„Es gibt eine weltweite Renaissance der Kernenergie/Deutschland ist Geisterfahrer“
Der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung weltweit sinkt bzw. stagniert, während der Anteil der erneuerbaren Energien exponentiell ansteigt. Neubauprojekte von Kernreaktoren und Abschaltungen alter Reaktoren halten sich ungefähr die Waage.

Die globalen Investitionen in erneuerbare Energien steigen stark, während die Investitionen in Kernenergie verschwindend gering sind im Vergleich.

„Die Energiewende ist teuer/wir können uns die Energiewende nicht leisten“
Die Kosten eines ungemilderten Klimawandels übersteigen die Kosten für die Energiewende um ein Vielfaches. Doch selbst wenn man Maßnahmen zur Abmilderung des Klimawandels für unnötig hält, ist die Energiewende volkswirtschaftlich ein Plus-Geschäft. Wir geben in Deutschland jährlich ungefähr 80 Milliarden Euro für fossile Brennstoffe aus, um sie zu importieren und dann zu verbrennen.
Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und
Energiesystemtechnik stellt die voraussichtlichen Investitionskosten in den Ausbau der EE, Speichertechnologien und Netze den voraussichtlichen Einsparungen bei fossilen Brennstoffen gegenüber. Dabei betrachtet sie verschiedene mögliche Szenarien mit verschiedenen Annahmen zur Zinsentwicklung für Kapitalkosten und Entwicklung der Preise für Primärenergie. Demnach werden ab einem Zeitpunkt zwischen 2029 und 2035 die jährlichen Einsparungen bei fossilen Brennstoffen die jährlichen Investitionskosten in die Energie- und Verkehrswende übersteigen. Bis zum Jahr 2050 berechnete das Fraunhofer-Institut eine inflationsbereinigte Rendite von 2,3 %. Dabei sind steigende Brennstoffkosten und die Kosten des Klimawandels nicht einberechnet. Bei Einbeziehung steigender Brennstoffkosten ergibt sich eine Rendite von 4 – 6,7 %.

„Kernenergie hat keine Subventionen erhalten“
Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestags fasst den Stand der Analysen dazu zusammen und zeigt, dass Kernenergie in Deutschland von Subventionen in Höhe von mindestens 237 Milliarden Euro profitiert hat. Darin sind nicht enthalten Subventionen, die noch in Zukunft anfallen können in Form von Sozialisierung der Ewigkeitskosten der Altlasten der Kernenergie, welche aus heutiger nicht zuverlässig absehbar sind.

„Kernenergie liefert verlässlich Strom. Erneuerbare Energiequellen liefern Flatterstrom“.
Kernkraftwerke werden wiederkehrend und für längere Zeiträume abgeschaltet, um Wartungsarbeiten und Reparaturarbeiten durchzuführen. Darüber hinaus müssen immer wieder Kernkraftwerke im Sommer abgeschaltet werden, weil das zur Kühlung benötigte Flusswasser zu heiß wird.
Die folgenden zwei Grafiken zeigen die Ausfallzeiten bzw. Verfügbarkeit der französischen Kernkraftwerke im Jahresverlauf 2024. Daran ist zu erkennen, dass auch die Verfügbarkeit von Kernenergie starken Schwankungen unterliegt.


Die Schwankungen bei Windkraft und PV sind in der Regel wetterbedingt, nicht technisch bedingt. Die saisonalen Schwankungen gleichen sich im Jahresverlauf weitgehend aus. Das heißt, sinkende Sonneneinstrahlung im Winter wird von steigender Windstärke ausgeglichen und sinkende Windstärke im Sommer von steigender PV-Einstrahlung. Zum Ausgleich kurz- bis mittelfristiger Schwankungen der Erträge aus Windkraft- und PV-Anlage gibt es eine Reihe von Speichertechnologien, die zunehmend zum Einsatz kommen.
